Ob Chemische Industrie, Elektrotechnik, Kernforschung, Optik oder Biotechnologie: Wissenschaft und Forschung haben in der DDR einen hohen Stellenwert. Die SED-Parteiführung nimmt Einfluss darauf, was erforscht und welche Produkte entwickelt werden sollen. Ausbildung und Studium in naturwissenschaftlichen Fächern werden besonders gefördert. Schon frühzeitig wird der wissenschaftlich-technische Fortschritt mit Slogans wie „Chemie bringt Brot – Wohlstand – Schönheit“ (1958) propagiert. Trotz der großen Anstrengungen in Ausbildung und Forschung bleibt der technische und wissenschaftliche Standard deutlich hinter dem Niveau der westlichen Industrienationen zurück. Die Gründe liegen in mangelnder technischer und finanzieller Ausstattung und dem fehlenden Zugang zur westlichen Wissenschaftsgemeinschaft. Der Austausch mit den Wissenschaftlern im Ostblock und Wirtschaftsspionage können diese Mängel nicht ausreichend kompensieren.
Die Forschung findet zum kleinen Teil in den Universitäten, überwiegend aber in außeruniversitären Forschungseinrichtungen statt. Insbesondere die Grundlagenforschung und die anwendungsnahe Forschung finden in den Instituten nationaler Akademien statt. Die größte dieser Akademien ist die Akademie der Wissenschaften, die rund 60 Institute und Einrichtungen unter ihrem Dach vereint. Daneben gibt es die Bauakademie und die Akademie der Landwirtschaftswissenschaften. Die Akademien und ihre Institute stehen mit ihren Forschungsprojekten vor dem Hintergrund der Verschlechterung der ökonomischen Lage insbesondere in den 1980er Jahren unter wachsendem Druck, anwendungsorientierte Lösungen zu entwickeln. Die enge Zusammenarbeit mit der Industrie wird daher weiter ausgebaut. Daher arbeiten sie eng mit der Industrie zusammen. In großen Kombinaten wird darüber hinaus auch eigene Forschung betrieben, zum Beispiel im Kombinat Robotron in Dresden.
Im Prozess der deutschen Einheit des Jahres 1990 besteht die Hauptaufgabe des Ministeriums für Forschung und Technologie in der Entpolitisierung, Dezentralisierung und Neuausrichtung der gesamten Forschungslandschaft sowie deren Integration in das bundesdeutsche System. Zudem wird der 1957 gegründete Forschungsrat der DDR, der Richtlinien für die Forschung festlegt und die entsprechenden finanziellen Mittel verteilt, aufgelöst.
Der Amtssitz des Ministeriums für Forschung und Technologie
Das Ministerium für Forschung und Technologie (MFT) entsteht im April 1990 im Zuge der Neuorganisation der Regierungsstrukturen. Es geht mit veränderter Aufgabenstellung aus dem Ministerium für Wissenschaft und Technik hervor und hat seinen Sitz in einem Gebäudekomplex auf der Köpenicker Straße 235a in Ost-Berlin. Auf dem 32 ha großen Gelände in der Wuhlheide befindet sich auch der Dienstsitz der Hauptabteilung III der Staatssicherheit – zuständig für Funkaufklärung und Funkabwehr – sowie das zentrale Rechenzentrum des früheren MfS.
Zum Forschungsminister wird der Mathematiker und Physiker Frank Terpe ernannt. Unter seiner Führung wird das MFT strukturell umgestaltet, wodurch eine weitgehende Kompatibilität zum Bundesministerium für Forschung und Technologie hergestellt wird. Rund 450 Mitarbeiter sind in folgenden sechs Abteilungen beschäftigt:
Außerdem untersteht dem Ministerium eine Vielzahl von Einrichtungen, wie beispielsweise das Forschungsinstitut „Manfred von Ardenne“, ein Technologie- und Ausstellungszentrum oder das Zentralinstitut für Information und Dokumentation. Die nachgeordneten Einrichtungen werden im zweiten Halbjahr 1990 sukzessive privatisiert und aus den Ministeriumsstrukturen ausgegliedert. Ebenso verhält es sich mit dem ministeriumseigenen Forschungsbereich. Auch er wird im Zuge der Reorganisation als gemeinnützige GmbH aus dem MFT herausgelöst.
Darüber hinaus gehören zum Geschäftsbereich des Forschungsministeriums folgende Ämter, die per Ministerratsbeschluss zum 1. Juni 1990 anderen Ministerien zugeordnet werden:
Als Parlamentarischer Staatssekretär kommt Ernst-Hinrich Weber neu ins Ministerium für Forschung und Technologie. Er hält die Verbindung zu den Ausschüssen und Fraktionen der Volkskammer aufrecht und koordiniert die Aktivitäten zur Umstrukturierung der Akademie der Wissenschaften sowie das Zusammenwirken mit Parteien und gesellschaftlichen Organisationen. Dieter Pötschke beginnt im Mai 1990 seine Tätigkeit als Staatssekretär im MFT. Zu seinen Aufgaben gehören die Koordinierung der Arbeit der sechs Abteilungen, Personal- und Weiterbildungsangelegenheiten, Innerdeutsche Beziehungen und die Strukturanpassungen auf den für Wissenschaft und Technik relevanten Gebieten.
Im August 1990 stellt Minister Frank Terpe aufgrund des Ausstiegs der SPD aus der Regierungskoalition sein Amt zur Verfügung. Die Amtsgeschäfte übernimmt der Minister für Bildung und Wissenschaft, Hans Joachim Meyer. Er führt beide Ministerien in Personalunion bis zum 2. Oktober weiter. Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik wird das Ministerium für Forschung und Technologie abgewickelt.
Organigramm des Ministeriums für Forschung und Technologie mit Stand vom 30. September 1990.
Quelle: BArch, DF 4/32270 (pdf)Übersicht vom 9. August 1990 über „Maßnahmen (…) zu organisatorischen und personellen Fragen in Vorbereitung auf die deutsche Einigung im Ressortbereich“.
Quelle: BArch, DF 4/32168 (pdf)Minister im Ministerium für Forschung und Technologie: Frank Terpe (April bis August 1990), Hans Joachim Meyer (August bis Oktober 1990)
Die Staatssekretäre im Ministerium für Forschung und Technologie: Ernst-Hinrich Weber, Dieter Pötschke
Die Akademie der Wissenaften ist die größte und wichtigste außeruniversitäre Forschungseinrichtung der DDR.