Um die Verhandlungsstrategie für den Einigungsvertrag vorzubereiten, erarbeitet der zuständige Parlamentarische Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten, Günther Krause, einen Fragenkatalog, der Ende Juni 1990 allen Ministerien zugesandt wird. Sechs verschiedene Themenkomplexe sollen die ressortspezifischen Verhandlungspositionen klären. Diese umfassen:
Gemeinsam mit der Beantwortung des Fragenkataloges können die einzelnen Ressorts zudem Vorschläge für die Entsendung von Verhandlungsdelegierten einreichen. Die interne Planung und Vorbereitung der Verhandlungsstrategie erfordert umfangreiche Koordinierungsmaßnahmen, die im Arbeitsstab Deutsche Einheit zusammengefasst werden. Leiter und Koordinator des Arbeitsstabes ist Wolfram Lässig.
Fragenkatalog für die Ressorts zur Vorbereitung der Verhandlungen für den Einigungsvertrag.
Quelle: BArch, DC 20 / 8949 (pdf)Antwortschreiben des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten auf den Fragenkatalog zur Vorbereitung der Verhandlungen für den Einigungsvertrag vom 4. Juli 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6011, pag. 235-241 (pdf)Antwortschreiben des Ministeriums für Justiz auf den Fragenkatalog zur Vorbereitung der Verhandlungen für den Einigungsvertrag vom 5. Juli 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6011, pag. 101-104 (pdf)Antwortschreiben des Ministeriums für Abrüstung und Verteidigung auf den Fragenkatalog zur Vorbereitung der Verhandlungen für den Einigungsvertrag vom 2. Juli 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6011, pag. 138-139 (pdf)Antwortschreiben des Ministeriums für Finanzen auf den Fragenkatalog zur Vorbereitung der Verhandlungen für den Einigungsvertrag vom 4. Juli 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6011, pag. 81-87 (pdf)Prinzipien der Rechtsangleichung in den Verhandlungen zum Einigungsvertrag (ohne Datum).
Quelle: BArch, N 2673 (pdf)Bei einem ersten Treffen am 1. Juni 1990 im Bundesinnenministerium in Bonn verständigen sich der Leiter der DDR-Delegation, Günther Krause, und der Leiter der bundesdeutschen Delegation, Wolfgang Schäuble, auf einen generellen Zeitplan und zentrale Etappen zur Vorbereitung des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik nach Artikel 23 des Grundgesetzes. Anfang Juli 1990 sollen die Verhandlungen beginnen.
Auf ministerieller Ebene finden vier Treffen statt, auf denen die zentralen Inhalte des Einigungsvertrages diskutiert werden. Um Detailfragen zu klären, finden zudem parallel ressortspezifische Treffen auf Beamtenebene statt.
Im Zentrum der ersten Gesprächsrunde am 6. Juli 1990 im Gebäude des Ministerrates der DDR in Ost-Berlin stehen der Termin für die erste gesamtdeutsche Wahl, die Hauptstadtfrage, die Ausrichtung der Arbeit der Treuhandanstalt sowie die Festlegung der Beitrittsmodalitäten. Um die Gespräche weiter zu strukturieren, wird ein Katalog vorläufiger Verhandlungsthemen abgestimmt, der als Leitfaden für die Delegationen dient.
Über den „Katalog von Verhandlungsthemen zum Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag)“ wird am 6. Juli 1990 zwischen den deutsch-deutschen Delegationen Übereinstimmung erzielt.
Quelle: BArch, DC 20 / 6032, pag. 167-170 (pdf)Protokoll des Bundesministeriums des Inneren von der ersten Verhandlungsrunde zum Einigungsvertrag vom 8. Juli 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6042, pag. 3-9 (pdf)Ab dem 10. Juli 1990 finden die Fachgespräche zwischen den verschiedenen Ressorts statt. Des Weiteren tagt eine Arbeitsgruppe (AG) „Berlin-Fragen“, die sich mit den spezifischen Regelungen der Integration Berlins in den Einigungsvertrag beschäftigt. Beim ersten Treffen der AG am 12. Juli 1990 in Bonn werden die zentralen Verhandlungsthemen festgelegt. Diese umfassen unter anderem:
Themenkatalog der AG „Berlin Fragen“ für die Verhandlungen zu den berlinspezifischen Problemen im Rahmen des Einigungsvertrages, Juli 1990.
Quelle: Bundesarchiv, DC 20 / 6030, pag. 190-194 (pdf)Ergebnisprotokoll der Beratungen über spezielle Fragen des Landes Berlin im Bundesministerium des Inneren in Bonn am 12. Juli 1990.
Quelle: Bundesarchiv, DC 20 / 6030, pag. 182-185 (pdf)Zu den besonders strittigen Punkten des Einigungsvertrages gehört die Formulierung der Präambel. Am 17. Juli 1990 präsentiert das Bundesministerium des Inneren einen Entwurf, der kontrovers diskutiert wird. Die Delegationen tauschen verschiedene Vorschläge aus, die immer wieder überarbeitet werden. Besonders strittige Punkte sind:
Auch andere gesellschaftliche Gruppen, deren Vorschläge jedoch kaum berücksichtigt werden können, versuchen Einfluss auf die Inhalte des Vertrages zu nehmen. Beispielsweise wird die Forderung des Zentralrats der Juden nach einer expliziten Erwähnung der „zwischen 1933 und 1945 in ihrer Einmaligkeit begangenen Gewalttaten“ und der daraus resultierenden moralischen Verpflichtung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus von den Verhandlungspartnern nicht aufgenommen.
Parallel finden die ressortspezifischen Gespräche zwischen den Ministerien statt. Die zuständigen Vertreterinnen und Vertreter erstatten regelmäßig Bericht an Günther Krause und den Arbeitsstab Deutsche Einheit, der die Ergebnisse zusammenträgt. Strittige Punkte und auftretende Probleme werden in Übersichten gebündelt und punktuelle Lösungsvorschläge erarbeitet.
Entwurfsfassungen der Präambel des Einigungsvertrages, Juli 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6030, pag. 67-79 (pdf)Vom Arbeitsstab Deutsche Einheit erstellte Zusammenfassung strittiger Fragen der Ressortverhandlungen vom 27. Juli 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6033, pag. 262-268 (pdf)Der Verband der Berufssoldaten der DDR e.V. wendet sich am 16. August 1990 mit einem Schreiben an Günther Krause. Darin sind die Vorstellungen des Verbandes zu den Anlagen den Einigungsvertrages zusammengefasst.
Quelle: BArch, DC 20 / 6035, pag. 55-57 (pdf)Schreiben des Vorsitzenden des Zentralrates der Juden, Heinz Galinski , an Günther Krause vom 20. August 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6027, pag. 118-119 (pdf)Textvorschläge des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen vom 20. Juli 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6038a, pag. 238-239 (pdf)Zusammenstellung der Ergebnisse der Ressortverhandlungen zwischen dem Ministerium für Arbeit und Soziales und dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 20. Juli 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6038b, pag. 220-232 (pdf)Vom 1. bis zum 3. August 1990 findet die zweite Verhandlungsrunde zum Einigungsvertrag in Ost-Berlin statt. Auf Basis der Ergebnisse aus den Ressortgesprächen, der Beratungen der AG „Berlin-Fragen“ und den Gesprächen zur Präambel werden die Struktur und zentrale Formulierungen des Vertragstextes erarbeitet. Bis zur dritten Verhandlungsrunde sollen die Ressorts die konkreten Ausformulierungen der Anlagen des Vertrages erörtern. In den fast 1.000 Seiten langen Anlagen werden die zahlreichen Detailfragen und Übergangslösungen für fachspezifische Fragen festgehalten.
Während in den Verhandlungen zwischen den Delegationen ein weitgehender Konsens über die Formulierungen des Vertragsentwurfs erzielt werden kann, spitzen sich die Probleme innerhalb der DDR-Regierung zu. Eine Krise der DDR-Regierungskoalition führt Mitte August 1990 unter anderem zur Entlassung des SPD Finanzministers Walter Romberg. In dessen Folge treten alle anderen SPD-Minister aus der Regierung zurück.
Ergebnisprotokoll aus den Akten des Arbeitsstabs Deutsche Einheit zu den Verhandlungen zum Einigungsvertrag vom 6. August 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6033, pag. 211-213 (pdf)Liste der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der deutsch-deutschen Delegationen an der zweiten Verhandlungsrunde zum Einigungsvertrag.
Quelle: BArch, DC 20 / 6033, pag. 224-228 (pdf)Zusammenfassung der Ergebnisse der Verhandlungen mit verschiedenen Verbänden und gesellschaftlichen Organisationen vom 29. Juli 1990.
Quelle: BArch, DC 20, 6044, pag. 11-21 (pdf)Zur letzten Verhandlungsrunde vor der Unterzeichnung des Einigungsvertrages treffen sich die deutsch-deutschen Delegationen zwischen dem 20. und 23. August 1990 in Bonn im Bundesverkehrsministerium.
Zentraler Gegenstand der letzten Gesprächsrunde sind folgende Themenkomplexe:
– Regelung des Schwangerschaftsabbruchs
– Übertragung des bundesdeutschen Rechtes
– Hauptstadtfrage und Regierungssitz
– Finanzverfassung von Bund und Ländern
– Offene Vermögensfragen
Zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs wird eine zweijährige Übergangszeit vereinbart. Die endgültige gesetzliche Festlegung für das gesamte Bundesgebiet wird auf die Zeit nach der ersten gesamtdeutschen Wahl vertagt. Auch in der Hauptstadtfrage einigen sich die Delegationen auf eine Kompromisslösung: Berlin wird im Einigungsvertrag als Hauptstadt festgelegt, während die Entscheidung über den Parlaments- und Regierungssitz später getroffen werden soll. Die von der DDR-Delegation geforderte sofortige Einbeziehung in den Länderfinanzausgleich lehnt Wolfgang Schäuble in den Verhandlungen mit Blick auf die Einrichtung des im Juni 1990 eingerichteten „Fonds Deutsche Einheit“ ab.
Die offenen Vermögensfragen sind Gegenstand zäher Verhandlungen, an deren Ende ebenfalls eine Kompromisslösung steht. Während auf besatzungsrechtlicher Grundlage vor 1949 erfolgte Enteignungen bestehen bleiben, soll später enteigneter Besitz nach dem Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ behandelt werden. Abschließende Regelungen werden am 23. September 1990 mit dem Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen – Vermögensgesetz (VermG) in Kraft gesetzt.
Teilnehmerliste der Delegationen an den Verhandlungen zum Einigungsvertrag ab dem 20. August 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6033, pag. 214-216 (pdf)Im Vorfeld der letzten Verhandlungsrunde wendet sich der Chef der Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement, an Günther Krause. In seinem Schreiben spricht er sich für eine Entscheidung über die Hauptstadtfrage und Regierungssitz nach der deutschen Eiheit aus.
Quelle: BArch, DC 20 / 6035, pag. 49-50 (pdf)Der Einigungsvertrag
Am Morgen des 31. August 1990 stimmen der DDR-Ministerrat und das Bundeskabinett dem Einigungsvertrag zu. Die Verhandlungsleiter Günther Krause und Wolfgang Schäuble unterschreiben anschließend den Vertrag.
In den folgenden Wochen finden in der Volkskammer Nachverhandlungen statt, z.B. zum weiteren Umgang mit den Akten der Staatssicherheit. Am 20. September 1990 stimmen Volkskammer und Bundestag dem Vertrag zu. Neun Tage später tritt der Vertrag in Kraft. Mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 vereinigen sich beide deutsche Staaten zu einem souveränen Staat. Die Teilung ist beendet und die deutsche Einheit vollzogen.
Erklärung des Bundesministers des Inneren, Wolfgang Schäuble, zur Unterzeichnung des Einigungsvertrages am 31. August 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 11629, pag. 1-8 (pdf)Version des Einigungsvertrages vom 30. August 1990 mit handschriftlichen Anmerkungen der DDR-Verhandlungsführers Günther Krause.
Quelle: BArch, DC 20 / 6010, pag. 1-47 (pdf)Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Einigungsvertrag in der 36. Sitzung der Volkskammer am 20. September 1990.
Quelle: Deutscher Bundestag, Protokolle der 10. Volkskammer der DDR, Auszug (pdf)Dankschreiben von Lothar de Maizière an Wolfgang Schäuble vom 3. September 1990 zur Unterzeichnung des Einigungsvertrages.
Quelle: BArch, DC 20 / 6062, pag. 185 (pdf)