Unter der Regierung de Maizière ist es die Aufgabe des Ministeriums für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft (MELF), für eine Umstrukturierung und Anpassung der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft an die Bedingungen in der Bundesrepublik und in der Europäischen Gemeinschaft (EG) zu sorgen. Dieser Prozess wird von einschneidenden Maßnahmen begleitet, die ein großes Konfliktpotential bergen. Das Ziel der bisherigen Landwirtschaftspolitik der SED, das auf maximale Produktion um jeden Preis ausgerichtet war, wird aufgegeben. Es ist auch nicht mehr Aufgabe des MELF, die gesamte Produktion im Land zu organisieren und zu planen. Stattdessen müssen die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe mit Einführung der Marktwirtschaft lernen, ökonomisch zu wirtschaften und im Wettbewerb auf einem freien Markt zu bestehen. Für die Landwirtschaft bedeutet das die radikalste Veränderung seit der Zwangskollektivierung in den 1950er Jahren.
Um die notwendigen Rahmenbedingungen zur Überführung der Land- und Forstwirtschaft in ein geeintes Deutschland zu schaffen, werden innerhalb weniger Monate acht Gesetze verhandelt und verabschiedet. In die Erarbeitung der Gesetze und Anordnungen sind dabei in hohem Maße die Ausschüsse der Volkskammer, das bundesdeutsche Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BMEL) sowie die Europäische Gemeinschaft in Brüssel involviert.
Organisation und Standort
Das Ministerium für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft geht mit veränderter Aufgabenstellung aus dem früheren Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft hervor. Es behält seinen Sitz in der Köpenicker Allee 39-57 in Ost-Berlin. Um eine möglichst reibungslose Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu ermöglichen, ist eine umfangreiche organisatorische Neuausrichtung erforderlich.
Für die Zeit bis zum 2. Oktober 1990 existieren folgende Fachabteilungen:
Die innerministeriellen Strukturen werden so verändert, dass viele der über 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter völlig andere Aufgaben übernehmen. Außerdem muss der Personalbestand bis Jahresende auf maximal 450 Mitarbeiter reduziert werden. In den mehr als 80 dem Ministerium nachgeordneten Einrichtungen arbeiten per 30. Juni 1990 noch insgesamt 20.391 Menschen. Dazu zählen beispielsweise alle Agrar- und Ingenieurschulen sowie dutzende Kombinate der Pflanzen- und Tierzucht, der (verarbeitenden) Nahrungsgüterindustrie und der Binnenfischerei. Die Zukunft der nachgeordneten Einrichtungen ist ungewiss, eine Reduzierung der Arbeitsplätze unvermeidlich.
Bis auf wenige Ausnahmen bleiben die Arbeitsverhältnisse für die Mitarbeiter des MELF bis Ende Dezember 1990 bestehen, ruhen aber – wie in den anderen Ministerien auch – ab dem 3. Oktober. Während dieser Ruhezeit bekommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein sogenanntes Wartegeld. Nur ein Bruchteil des ehemaligen Personals findet später im bundesdeutschen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine neue Anstellung. Das BMEL schafft 267 neue Stellen, auf die sich alle ehemaligen MELF-Mitarbeiter und Mitarbeiter der direkt nachgeordneten Einrichtungen bewerben können.
Schreiben aus dem Ministerium für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft an Finanzminister Walter Romberg vom 13. Juli 1990, in dem es um bevorstehende Entlassungen und den Finanzmittelbedarf für Umschulungsmaßnahmen geht.
Quelle: BArch, DK 1/28262 (pdf)Ausschreibung für Mitarbeiter des MELF, die sich für ein neues Arbeitsverhältnis im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bewerben können inkl. Erklärung über etwaige Tätigkeit für das MfS. (ohne Datum)
Quelle: BArch, DK 1/28257 (pdf)Schreiben von Anfang August 1990 über die Zukunft der Institute der Bienenwirtschaft in den Jahren 1990/1991.
Quelle: BArch, DK 1/28260 (pdf)Auf Vorschlag der SPD wird der parteilose Agrarwissenschaftler Peter Pollack als neuer Landwirtschaftsminister in das Kabinett de Maizière berufen. Dieser entlässt zu Beginn seiner Amtszeit die bisherigen Staatssekretäre und die meisten der stellvertretenden Minister. Im Mai besetzt er die Posten der Staatssekretäre neu:
Die Zentralabteilung mit Organisation, Personal und Finanzen wird dem Minister persönlich unterstellt. Des Weiteren werden zehn gemeinsame Arbeitsgruppen eingerichtet und einige ständige Berater aus dem BMEL in das MELF entsandt, darunter ein persönlicher Berater für den Minister.
Am 16. August wird Peter Pollack als Landwirtschaftsminister entlassen. Danach übernimmt für einige Tage Peter Kauffold die Geschäftsführung des Ministeriums, bis auch er am 22. August seinen Posten als Parlamentarischer Staatssekretär niederlegt. Seine Nachfolge tritt der CDU-Abgeordnete Gottfried Haschke an, der bisher in der Volkskammer als Obmann der Arbeitsgruppe Landwirtschaft tätig und Mitglied des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gewesen ist.
Der parteilose Agrarwissenschaftler Peter Pollack ist neuer Landwirtschaftsminister im Kabinett de Maizière.
Die Staatssekretäre im MELF: Peter Kauffold, Michael-Andreas Heinemann, Dieter Schwarze, Gottfried Haschke
Innerhalb kurzer Zeit müssen die Betriebe große Strukturanpassungen durchführen, um wettbewerbsfähig zu werden und rentabel zu wirtschaften.
Der mangelnde Absatz einheimischer Erzeugnisse und die Überproduktion im Land führen zu erheblichen Marktstörungen.