Bis 1989 verfügt die Deutsche Reichsbahn (DR) über das Monopol für den Güter- und Personentransport in der DDR. Trotz dieser hervorgehobenen wirtschaftlichen Stellung macht die Deutsche Reichsbahn Verluste und ist von staatlichen Subventionen abhängig. Zudem sind die Infrastruktur sowie Lokomotiven und Waggons in einem desolaten Zustand. Zu Beginn des Jahres 1990 sind nur etwa 30 % des Schienennetzes elektrifiziert, Weichen und Brücken sind teilweise seit 100 Jahren nicht mehr saniert worden. Gleichzeitig ist die Deutsche Reichsbahn mit einem Personalbestand von etwa 253.000 Angestellten der größte Arbeitgeber der DDR und muss enorme Mittel für Personalkosten aufbringen.
Doch nicht nur die Reichsbahn, sondern auch die Deutsche Bundesbahn hat zu dieser Zeit mit Problemen zu kämpfen. Zur Reformierung der Bundesbahn setzt der damalige Bundesverkehrsminister Jürgen Warnke im April 1989 eine „Regierungskommission Bundesbahn“ ein, die einen Maßnahmenkatalog zur Sanierung und schrittweisen Privatisierung der Bahn ausarbeiten soll. Nach den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 bemüht sich die Kommission Problemlösungen zu entwickeln, die eine Fusion beider deutscher Bahngesellschaften beinhalten.
Schematische Übersichtskarte zum Streckennetz in der DDR.
Quelle: BArch, DM 1 / 19198Die interne Reform der Reichsbahn und die Anpassung der Organisationsstruktur im Ministerium erfolgt noch kurz vor den Volkskammerwahlen. Mittels einer ministeriellen Organisationsanweisung wird die Generaldirektion der Deutschen Reichsbahn aus dem Ministerium für Verkehr herausgelöst und eine neue Hauptabteilung Eisenbahnen gegründet. Mit der Ausgliederung der Reichsbahn aus dem unmittelbaren Verantwortlichkeitsbereich des Ministeriums passt sich das MfV den Strukturen des Bundesministeriums für Verkehr an. Zum Leiter der Hauptabteilung Eisenbahnen wird der Parlamentarische Staatssekretär Bernd Rohde bestimmt. Dieser ist für folgende Aufgabenbereiche zuständig:
Die gleichzeitig gebildete Generaldirektion der Deutschen Reichsbahn übernimmt ab dem 1. April 1990 folgende Arbeitsbereiche:
Als erste Generaldirektoren nach der Reform amtieren von April bis Mai 1990 Herbert Keddi und anschließend zwischen Mai 1990 und August 1991 Hans Klemm. Die Neuorganisation der Deutschen Reichsbahn dient vor allem der Anpassung an die Struktur der Deutschen Bundesbahn, um eine spätere Fusion zu erleichtern.
Eines der zentralen deutsch-deutschen Bahnprojekte ist der Ausbau der Schnellbahnstrecke zwischen Hannover und Berlin. Hierfür schließen die beiden deutschen Verkehrsminister am 28. Juni 1990 ein Abkommen. Bei der Deutschen Reichsbahn wird eine eigene Projektgruppe „Schnellbahnbau“ eingerichtet, die für den Ausbau verantwortlich ist.
Weitere Bauvorhaben zur Verbindung und Modernisierung des deutschen Schienennetzes nehmen erst nach der deutschen Einheit an Fahrt auf. Alle großen Bahnbauprojekte werden 1991 unter der neu gegründeten – „Planungsgesellschaft Bahnbau Deutsche Einheit mbH“ (PBDE) zusammengefasst und federführend von der Deutschen Bahn koordiniert. Die Aufsicht hat der im Januar 1991 eingesetzte neue Bundesminister für Verkehr Günther Krause.
Noch wenige Monate zuvor hatte Krause den Einigungsvertrag mit der Bundesrepublik ausgehandelt, der in Artikel 26 Regelungen zum Sondervermögen Deutsche Reichsbahn enthält. Darin wird festgelegt, dass beide Bahngesellschaften zunächst als rechtlich eigenständige Gesellschaften-mit jeweils selbstständigen Vorständen weitergeführt werden. Beide Vorstände sollen, so der Vertragstext, auf das „Ziel hinwirken, die beiden Bahnen technisch und organisatorisch zusammenzuführen“.