Zur sozialverträglichen Gestaltung des wirtschaftlichen Umbruchs ist die Entwicklung einer aktiven Arbeitsmarktpolitik zentral. Wichtige Instrumente und Regelungen werden am 22. Juni 1990 durch das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geschaffen. Parallel dazu bemüht sich das MfAS um den zügigen Aufbau einer effektiven Arbeitsverwaltung.
Das Arbeitsförderungsgesetz (AFG)
Die wichtigsten Ziele des Arbeitsförderungsgesetzes sind:
Inhaltlich lehnt sich das Gesetz eng an die Regelungen des bundesdeutschen Arbeitsförderungsgesetzes an. Um jedoch den Besonderheiten der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Situation der DDR Rechnung zu tragen, wird das Gesetz teilweise angepasst und verändert. Diese Veränderungen umfassen im Wesentlichen vier Komplexe:
Der Gesetzesentwurf zum Arbeitsförderungsgesetz wird nach erster Lesung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen, der am 20. Juni 1990 eine leicht modifizierte Fassung des Gesetzes empfiehlt. Nach einer längeren Debatte stimmt die Volkskammer am 22. Juni 1990 dem AFG zu. Das Gesetz tritt am 1. Juli 1990 gemeinsam mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion in Kraft. Bis auf einige Übergangsbestimmungen hat es bis zum 2. Oktober 1990 Bestand, ehe es durch das bundesdeutsche AFG ersetzt wird.
Gesetzestext des am 22. Juni 1990 von der Volkskammer verabschiedeten Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Es tritt am 1. Juli 1990 mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion in Kraft.
Quelle: Gesetzblatt der DDR, Teil I, Nr. 36, S. 403-445.Nach der Einführung des AFG treten Probleme auf, die von den gesetzlichen Regelungen nicht erfasst werden. Dies sind unter anderem:
Beispiel: Das Eisenhüttenkombinat Ost (EKO)
Das 1950 gegründete Eisenhüttenkombinat Ost (EKO) in Eisenhüttenstadt ist von den wirtschaftlichen Reformen in der DDR unmittelbar betroffen. Bereits am 16. Mai 1990 wird das EKO in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, die unter die Verwaltung der Treuhand gestellt wird. Damit ist der Betrieb erstmalig in seiner Geschichte dem Wettbewerbsdruck des globalen Stahlmarktes ausgesetzt. Gleichzeitig brechen die Auftraggeber in Osteuropa nahezu vollständig weg. Dramatische Auftragsreduzierungen sind die Folge. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, wird ein umfangreiches Sanierungs- und Personalkonzept erarbeitet, das auch den massiven Abbau von Arbeitskräften beinhaltet. Durch die Schaffung einer sogenannten „Beschäftigungsgesellschaft der EKO Stahl AG“ sollen entlassene Arbeiterinnen und Arbeiter sich weiter qualifizieren können und vor allem Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden.
Konzept des Ministeriums für Arbeit und Soziales zur Schaffung von Beschäftigungsgesellschaften vom 16. Juli 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6364, pag. 76-78 (pdf)Schriftwechsel von Lothar de Maizière und dem Vorstandsvorsitzenden der EKO Stahl AG zum Pilotprojekt „Bildungsgesellschaft der EKO Stahl AG“ vom August 1990.
Quelle: BArch, DC 20 / 6068 (pdf)Ziel der Beschäftigungsgesellschaft ist es, bis 1994 etwa 6.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine neue Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu verschaffen. Zur Finanzierung der Bildungsgesellschaft stellen das MfAS und das BMA Mittel aus dem Arbeitsförderungsgesetz. Des Weiteren stellt die Europäischen Gemeinschaft Mittel aus dem Strukturfonds zur Verfügung.
Die neue Arbeitsrechtsordnung
Ein zentraler Baustein der Wirtschaftsreformen in der DDR ist die Festlegung der Grundsätze der Arbeitsrechtsordnung. Die in Artikel 17 des Vertrages über die Wirtschafts,- Währungs- und Sozialunion aufgeführten Bestimmungen sichern den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern folgende Rechte:
Innerhalb der hierarchisch strukturierten Planwirtschaft der DDR waren betriebliche Mitbestimmung und Rechtssicherheit für Angestellte nicht vorgesehen. Um die neuen Regelungen umzusetzen und um eine möglichst umfassende Anpassung an die arbeitsrechtliche Gesetzgebung der Bundesrepublik zu gewährleisten wird das Arbeitsgesetzbuch der DDR grundlegend umgestaltet.
Antrag des Ministerrates der DDR zur Änderung und Ergänzung des Arbeitsgesetzbuches.
Quelle: Deutscher Bundestag, Volkskammer der DDR, Drucksache 66 (pdf)Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses der Volkskammer zum Antrag des Ministerrates der DDR zur Änderung und Ergänzung des Arbeitsgesetzbuches.
Quelle: Deutscher Bundestag, Volkskammer der DDR, Drucksache 66a (pdf)Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses der Volkskammer zum Antrag des Ministerrates der DDR zur Änderung und Ergänzung des Arbeitsgesetzbuches.
Quelle: Deutscher Bundestag, Volkskammer der DDR, Drucksache 66b (pdf)Gleichwohl bleiben einige spezielle Abweichungen zum bundesdeutschen Recht erhalten. Diese besonderen Regelungen werden erst mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik ausgesetzt.
Zudem werden die sogenannten Konfliktkommissionen in Schiedsstellen umgewandelt. Bei den Schiedsstellen handelt sich um Ausschüsse die bei arbeitsrechtlichen Konflikten angerufen werden. Erst wenn an dieser Stelle kein Kompromiss erzielt werden kann wird die Justiz eingeschaltet. Am 3. Oktober 1990 treten alle diese Regelungen außer Kraft und das bundesdeutsche Arbeitsrecht wird vollständig auf die „neuen“ angewendet.