Bereits im Dezember 1989 beginnen die ersten Planungen zur Angleichung des deutsch-deutschen Post- und Fernmeldewesens. Bei einem gemeinsamen Treffen vereinbaren der bundesdeutsche Minister für Post- und Telekommunikation, Christian Schwarz-Schilling, und der damalige Minister für Post- und Fernmeldewesen, Klaus Wolf, die Einrichtung einer gemeinsamen Regierungskommission. Die Kommission soll die weitere Ausgestaltung der Post- und Fernmeldebeziehungen beider Staaten regeln. Für jedes Unternehmen wird ein sogenannter Unternehmensausschuss gebildet. Einer für den Bereich Post, einer für den Bereich Telekom und einer für den Bereich Postbank. Zudem erfolgt im Januar 1990 die Bildung einer Arbeitsgruppe „deutsch-deutscher Postverkehr“, die im Bereich des Postdienstes an Regelungen zur Vereinheitlichung des Postverkehrs arbeitet. Nach den Volkskammerwahlen am 18. März 1990 werden die Bemühungen auch unter der Regierung de Maizière fortgesetzt und eine sogenannte „Projektorganisation Postunion“ gegründet, in die die AG „deutsch-deutscher Postdienst“ integriert wird. Als zentrale Herausforderungen werden unter anderem folgende Punkte herausgearbeitet:
Vermerk über Gespräche zur Bildung der Arbeitsgruppe "Postverkehr" in der gemeinsamen Regierungskommission zur Angleichung der Leistungen im Post- und Fernmeldewesen vom 29. Januar 1990.
Quelle: BArch, DM 3 / 19087 (pdf)Gemeinsame Erklärung von Klaus Wolf und Christian Schwarz-Schilling zum Stand der Arbeit der deutsch-deutschen Regierungskommission im Post- und Fernmeldewesen, 13. März 1990.
Quelle: Hans-Jürgen Niehof (pdf)Übersicht über die Problemkomplexe für die Beratungen der Arbeitsgruppen in der „Projektorganisation Postunion“ vom April 1990.
Quelle: Privatarchiv Hans-Jürgen Niehof (pdf)Protokoll der dritten Beratungsrunde der Arbeitsgruppe Postverkehr vom 19. April 1990.
Quelle: Privatarchiv Hans-Jürgen Niehof (pdf)Auf Grund der Vorbereitung zur Umsetzung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion müssen die Rahmenbedingungen zur Zusammenführung des Post- und Fernmeldewesens rasch festgelegt werden. In gemeinsamen Erklärungen von MPF und BMPT werden die Eckpunkte für die weitere Zusammenarbeit festgehalten.
Gemeinsame Erklärung des Vorstandes der Deutschen Bundespost POSTDIENST und der Leitung der Generaldirektion POSTDIENST der Deutschen Post über die Erweiterung des Dienstleistungsangebots im deutsch-deutschen Postverkehr vom 14. Mai 1990.
Quelle: Privatarchiv Hans-Jürgen Niehof (pdf)Gemeinsame Erklärung des Vorstands der Deutschen Bundespost POSTDIENST und der Leitung der Generaldirektion POSTDIENST der Deutschen Post zur künftigen Gestaltung des Postverkehrs in Deutschland vom 14. Mai 1990.
Quelle: Privatarchiv Hans-Jürgen Niehof (pdf)Zusammenfassung der Ergebnisse der abschließenden Beratung der AG Postverkehr in der Gemeinsamen Regierungskommission vom 25. Mai 1990.
Quelle: BArch, DM 3 / 19087 (pdf)Tätigkeitsbericht der AG Postverkehr vom 11. Mai 1990.
Quelle: BArch, DM 3 / 19087 (pdf)Maßnahmen zur Angleichung des deutsch-deutschen Postdienstes
Mit dem Inkrafttreten der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion gehen verschiedene Maßnahmen zur Angleichung des Postverkehrs einher. Zum 2. Juli 1990 erfolgt zunächst eine Gebührenanpassung für die Leistungen im Postdienst.
Informationsbroschüre über die Leistungen und Gebühren der Deutschen Post vom 1. Juli 1990.
Quelle: Privatarchiv Hans-Jürgen NiehofMit der Gebührenanpassung soll dem verstärkt aufkommenden „Remailing“, also der Aufgabe von Inlandsbriefen im Ausland, um Porto zu sparen, ein Riegel vorgeschoben werden. Das weiterhin bestehende Gebührengefälle zwischen DDR und Bundesrepublik kann dies aber nur bedingt eindämmen.
Infolge der Währungsunion und der Gebührenanhebung werden neue Briefmarken herausgegeben, auf denen die Wertangabe in DM-Pfennigen ausgezeichnet ist.
Die Verteuerung der Leistungen geht mit zahlreichen Erweiterungen des Service im deutschen-deutschen Post- und Briefverkehr einher. Die schon am 14. Mai 1990 beschlossene Erweiterung des Dienstleistungsangebotes beinhaltet folgende neue Leistungen:
– Massenversand von Mitteilungen zu Werbezwecken (Wurfsendungen)
– Zulassung des Nachnahmedienstes und von Postgütern
– Verkürzung der Postlaufzeit auf drei Tage nach Einwurf (E +3)
– Einlieferung von Massendrucksachen, Paketen und Wirtschaftspaketen bis 20kg
– Einlieferung von Werbeantworten
– Serviceleitung im grenzüberschreitenden Bankverkehr im Zusammenhang mit Postsparbüchern der Deutschen Post
Um die Verbesserungen im Service umzusetzen, sind hohe Investitionssummen notwendig. Zunächst wird festgelegt die sogenannte Postpauschale in vollem Umfang für Investitionen zu verwenden. Die Postpauschaule in Höhe von mehreren Millionen DM wurde seit den 1970er Jahren von der Bundesregierung, als Ausgleichszahlung für die Aufwendungen im innerdeutschen Postverkehr, an die DDR überwiesen. Zuletzt beläuft sich die Postpauschale auf 300 Mio. DM. In der Regel verwendete die DDR-Regierung das Geld jedoch nicht für die Verbesserung der postalischen Infrastruktur, sondern für andere sachfremde Zwecke. Parallel dazu initiiert die Bundesregierung am 20. Juni 1990 ein Investitionsprogramm über 420 Millionen DM. Die Gelder sollen als kurzfristige Infrastrukturhilfe dienen und für Kraftfahrzeuge und Ausrüstungsgegenstände im Post- und Fernmeldewesen verwendet werden.
Kabinettsvorlage von Christian Schwarz-Schilling über die Investitionstätigkeit der Unternehmen der Deutschen Bundespost in der DDR vom 19. Juni 1990.
Quelle: Privatarchiv Hans-Jürgen NiehofAuf Grund der umfangreichen Investitionen und intensiven Bemühungen gelingt es bis zur deutschen Einheit, die Weichen für eine Angleichung der postalischen Leistungen zu stellen. Die vollständige Beseitigung aller Unterschiede nimmt allerdings noch mehrere Jahre in Anspruch.
Exkurs: Die Staatssicherheit und das Post- und Fernmeldewesen
Mit der Auflösung des MfS/AfNS geht auch die Aufdeckung der massenhaften Post- und Telefonüberwachung einher. Zahlreiche Anlagen zum Öffnen von Paketen und Briefen sowie zum Abhören von Telefongesprächen werden von den Bürgerkomitees aufgespürt und sichergestellt. In Freienbrink bei Berlin wird im Februar 1990 eine Dienststelle des MfS enttarnt, in der alle fehlgeleiteten Sendungen aus der Bundesrepublik und West-Berlin gesammelt, geöffnet und deren Inhalte anschließend dem DDR-Staatshaushalt zugeführt wurden. Auf diese Weise unterschlägt die DDR zwischen 1985 und 1989 ca. 320.000 private Briefe und Pakete aus dem Westen. An allen zentralen Postzentren hatte die Staatssicherheit Briefkontrollstellen eingerichtet, die für die tägliche Kontrolle von 50.000 bis 70.000 Postsendungen verantwortlich waren. Auch etwa 4.000 Telefonabschlüsse wurden in der DDR von der Staatssicherheit abgehört. Einer besonders flächendeckenden Überwachung unterlagen dabei die Telefonverbindungen in die Bundesrepublik und nach West-Berlin.
Im Herbst 1989 verlassen zahlreiche hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MfS aus dem Bereich Post- und Telekommunikationsüberwachung ihre Arbeitsstellen. Durch gute Kontakte zu zahlreichen Personalverantwortlichen der Deutschen Post der DDR können viele ehemalige MfS-Angestellte eine Beschäftigung in diesem Bereich aufnehmen. Zwischen Oktober 1989 und Mai 1990 kommen auf diese Weise etwa 2.000 ehemalige Stasiangehörige im Postdienst unter.
Im Ministerium für Post- und Fernmeldewesen sind diese Entwicklungen bekannt. Das Referat für Sicherheit des Ministers stellt umfangreiche Nachforschungen zu den Verbindungen von MfS und Post bzw. Fernmeldewesen an. Nach der deutschen Einheit initiiert die Bundespost ein mehrstufiges Überprüfungsprogramm, in dessen Ergebnis knapp 1.700 ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des MfS gekündigt werden. Im Laufe der Verfahren stellen die Überprüfungskommissionen zudem 2.324 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fest, die als IM für die Staatssicherheit tätig waren.
Gutachten des Referats für Sicherheit des Ministers zur Verstrickung von MfS und dem Post- und Fernmeldewesen der DDR vom August 1990.
Quelle: Privatarchiv Hans-Jürgen Niehof