Am 6. Mai 1990 finden in der DDR die ersten freien Kommunalwahlen statt. Nach den Volkskammerwahlen können die DDR-Bürgerinnen und -Bürger nun auch über die Bürgermeister, Stadt- und Gemeinderäte abstimmen. Wahlsieger wird die CDU mit 40,45 % der Stimmen, gefolgt von der SPD mit einem Stimmenanteil von 21,27 %. Den dritten Platz belegt die PDS mit 14,59 % der abgegebenen Stimmen. Im Gegensatz zur Volkskammerwahl am 18. März 1990 nehmen dieses Mal jedoch nur noch 73 % der Wahlberechtigten teil, was einem Abfall der Wahlbeteiligung von etwa 20 % entspricht.
Nach den Kommunalwahlen sind die Bezirkstage die einzigen nicht demokratisch legitimierten Regierungsorgane auf Ebene der Kreise, Städte und Gemeinden. Aus diesem Grund beschließt die Volkskammer am 17. Mai 1990 das Ende der Legislaturperiode der Bezirkstage zum 31. Mai 1990. Gleichzeitig setzt die Volkskammer sogenannte Regierungsbevollmächtigte ein. Diese sollen die Regierbarkeit der Bezirke sichern und die ersten Schritte zur Umsetzung einer umfassenden kommunalen Verwaltungsreform einleiten. Die Amtsperiode der Regierungsbevollmächtigten soll bis zu den ersten Landtagswahlen dauern. Faktisch endet die Amtsperiode jedoch schon mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 3. Oktober 1990. Die Zeit bis zu den ersten Landtageswahlen am 14. Oktober wird von den sogenannten Landessprechern überbrückt, die aus dem Kreis der Regierungsbevollmächtigten bestimmt werden.
Das Vorschlagsrecht für die Regierungsbevollmächtigten erhalten die Bezirksgeschäftsstellenleiter der Parteien, die bei den Volkskammerwahlen in den entsprechenden Bezirken die meisten Stimmen erhalten haben. Nach einem zügigen Abstimmungsprozess werden folgende Personen zu Regierungsbevollmächtigten ernannt:
Bezirk Rostock – Hans-Joachim Kalendrusch (CDU)
Bezirk Neubrandenburg – Martin Brick (CDU)
Bezirk Schwerin – Georg Diederich (CDU)
Bezirk Potsdam – Jochen Wolf (SPD)
Bezirk Frankfurt (Oder) – Britta Stark, geb. Schellin (SPD)
Bezirk Magdeburg – Wolfgang Braun (CDU)
Bezirk Cottbus – Karl-Heinz Kretschmer (CDU)
Bezirk Halle – Klaus Keitel (CDU)
Bezirk Leipzig – Rudolf Krause (CDU)
Bezirk Erfurt – Josef Duchač (CDU)
Bezirk Dresden – Siegfried Ballschuh (CDU)
Bezirk Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) – Albrecht Buttolo (CDU)
Bezirk Gera – Peter Lindlau (CDU)
Bezirk Suhl – Werner Ulbricht (CDU)
In einer Verfügung legt der Ministerpräsident die Stellung, Aufgaben und Befugnisse der Regierungsbevollmächtigten fest.
Stellung:
Aufgaben:
Befugnisse:
Die neu ernannten Regierungsbevollmächtigten verschicken kurz nach ihrem Amtsantritt Anschreiben an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirke. Dieses Schreiben enthält auch eine Erklärung über eine Tätigkeit bei MfS/AfNS.
Schreiben der Regierungsbevollmächtigten des Bezirks Frankfurt (Oder) Britta Stark (geb. Schellin) an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bezirke vom 12. Juni 1990.
Quelle: BArch, DO 5 /10 (pdf)Vorlage zum Beschluss über die Durchführung einer Konferenz des Ministerrates mit den Oberbürgermeistern und Landräten am 3. Juli 1990.
Quelle: BArch, DO 5 / 18 (pdf)Um schnell qualifizierte Führungskräfte für die mittlere Verwaltungsebene der Kommunen auszubilden, veranstaltet das MfRKA in Kooperation mit dem Amt des Ministerpräsidenten im Laufe des Jahres 1990 mehrere Fortbildungen für Führungskräfte, Landräte und Bürgermeister. Insgesamt beansprucht die Neuordnung der kommunalen Selbstverwaltung noch mehrere Jahre. Mit der Bildung der Länder am 3. Oktober 1990 und den kommunalen Verfassungsreformen sind die wichtigsten Grundlagen für die Einführung des Föderalismus und des Parlamentarismus in den „neuen“ Ländern jedoch geschaffen.